Was wird es? Ein Mädchen oder ein Junge? Ein Baby!

Ein illustiertes, grünes Chamäleon auf weißem Hintergrund mit großen Augen und einem Lächeln im Gesicht

Franziska Gärtner ist Mutter der kleinen Pippa und schreibt in ihrer neuen Kolumne über ihre ganz persönlichen Erfahrungen zum Thema Muttersein – angefangen bei Geschlechterklischees.

Franzi und ihr Mann Hannes mit Baby Pippa auf dem Schoß.

Es ist 20.02 Uhr und ich tippe mit der linken Hand, weil auf dem rechten Arm meine Tochter Pippa eingeschlafen ist. Für heute das erste Mal – nach dem Aufwachen kurz vor 9 Uhr und einem kurzen Nap gegen Mittag im Kinderwagen. Puuh. Pippa – unser Wirbelwind, der meinem Kopf gerade eine Achterbahn beschert. Und dabei fühle ich mich nicht frei, sondern eher gefangen zwischen innerem Druck und meinem Wunsch, alles zu schaffen, was ich gerne möchte und wofür mein Herz schlägt. Wie diese Kolumne. Aber gerade fühlt es sich nicht nach „You can have it all.“, aber vielmehr nach „Step by step, oh baby.“ an.

Weg mit den Klischees!

Pippa ist ein großes Wunschkind von meinem Mann Hannes und mir, auf das wir nach vielen Downs und wenigen Ups knapp sieben Jahre warten mussten. Also hatten wir viel Zeit, uns darüber Gedanken zu machen, welche Werte wir unserem Kind vermitteln und was wir ihr oder ihm mitgeben möchten. Hannes und ich stellen immer wieder fest: Weg mit Klischees! Also weg mit Gedanken und Äußerungen wie „Jungs sind stark und weinen nicht.“ oder „Mädchen spielen nur mit Puppen und wollen alle eine rosafarbene Prinzessin sein.“. Und wie kann es sein, dass uns in den meisten Shops immer noch rosa Glitzersteine in klassischen Mädchenabteilungen und Automotive auf blauen Shirts bei den Jungs entgegen springen? Sind wir nicht im Jahr 2023? Warum gibt es vor allem bei Kindern überhaupt noch getrennte Abteilungen? Farben sind doch für alle da. Mein Mann Hannes und ich versuchen, so vielfältig und bunt für Pippa einzukaufen, wie es geht. Ob bei Klamotten, Spielzeug, Interieur und auch alltäglichen Dingen wie Schnuller, Tassen oder Geschirr. Den Wunsch haben wir auch von Anfang an unseren Liebsten kommuniziert. Und es ist definitiv möglich, nicht nur rosa- oder fliederfarbene Dinge für Mädchen zu kaufen, wir tragen als Frauen doch auch als Erwachsene Blau oder Grün. Und wenn Pippa jetzt wegen ihrer Sachen für einen Jungen gehalten wird, ist meine Antwort stets „Farben sind doch für alle da.“.

Beim Thema Klischees hat mich auch meine Arbeit bei EDITION F in den letzten sechs Jahren sehr geprägt. Ich setze mich dafür ein, dass Gleichberechtigung bei den Geschlechtern in allen Lebensbereichen erfolgen muss, angefangen bei der Erziehung unserer Kinder. Denn alle Gefühle, alle Bewegungen, alle Verhaltensweisen, alle Spielzeuge und natürlich alle Farben sind für alle Geschlechter da. Umdenken beginnt im Kopf und Wandel immer bei einem selbst.

Familienwerte festgehalten in einem Bilderrahmen

Auf vielen Autoreisen und Urlauben haben mein Mann Hannes und ich die anfangs erwähnten Werte in einer Familien-Werteliste festgehalten, die wir vor Pippas Geburt noch einmal finalisiert und nur für uns ausgedruckt und eingerahmt haben. Die komplette Liste bleibt unser Familiengeheimnis, aber ein wichtiger Punkt darauf ist Offenheit. Und das versuchen wir schon mit dem Beginn der Schwangerschaft zu leben. Zum Beispiel in Bezug auf das Geschlecht von diesem kleinen Wurm, den wir ab Tag 1 in seiner Existenz beschützen. Denn welche Frage wird dir als schwangere Person sofort und ungefragt gestellt, nachdem dein Gegenüber von der Schwangerschaft erfahren hat oder den wachsenden Bauch sieht? Genau: „Und was wird es?“ oder auch ganz direkt „Junge oder Mädchen?“. Auf die Standardfrage hatten wir in den meisten Situationen eine Standardantwort: „Ein Baby.“ Natürlich ist mir auch oft „Ein Mädchen.“ über die Lippen gekommen – vor allem dann, wenn mein Gegenüber auch eine schwangere Frau war. Da zaubert die Antwort dann immer ein Lächeln ins Gesicht. Und ganz ehrlich: Egal welches Geschlecht das Baby hat, die Euphorie bei der fragenden Person fällt doch immer gleich aus. Zumindest habe ich die Erfahrung mit Pippa im Bauch gemacht. Eine schwangere Mutter mit bereits drei Mädchen oder Jungs würde wohl etwas anderes berichten und könnte direkt mit dem Bullshit-Bingo starten.

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Es wird ein Mädchen: die Namenssuche startet.

Hannes und ich waren uns einig, dass wir das Geschlecht von Pippa in der Schwangerschaft bereits wissen wollten. Für mich hat es gar keine Rolle gespielt, weil die Schwangerschaft so ein großes Wunder war und immer noch ist, aber so konnten wir uns an eine weitere Liste setzen – und zwar nicht an die To Do Liste für eine Gender Reveal Party, sondern an die Liste für Wunschnamen. Bei der Wahl des Namens hat das Geschlecht für uns eine Rolle gespielt, obwohl wir auch einige Unisexnamen favorisiert haben, ist es mit Pippa ein Name geworden, der klar einem Mädchen zuzuordnen ist. Hannes hatte nur einen Wunsch: Der Name soll aus zwei Silben bestehen, damit wir und andere keine Verniedlichungen finden können. Bei unseren Liebsten klappt das ganz wunderbar, aber mir rutscht dann doch manchmal Pippalinchen über die Lippen. Aber das bleibt unter uns zwei. Ihre drei Vornamen lautet übrigens Pippa Martha Lotti – Martha nach Hannes Uroma, die seine Mama mit voller Liebe großgezogen hat und Lotti nach meiner Uroma, die mit meiner Oma tapfer im Krieg von Danzig nach Mecklenburg-Vorpommern geflüchtet ist und sie dann aufgezogen hat. Das hat sich für uns richtig angefühlt und beim Tippen dieser Zeilen, spüre ich auch diese Kraft von Martha und Lotti, die wir Pippa mit ins Leben geben möchten. Wie eine Art unsichtbare Hand. Achso, die Gender Reveal Party haben wir trotz der vielen, vom Instagram Algorithmus ausgespielten Inspirationen für uns ausgeschlossen. Stattdessen habe ich mich kurz vor der Geburt für ein Blessing Way mit einer Doula und meinen engsten Freundinnen entschieden, das mir für die Geburt sehr viel Kraft gegeben hat.

Mut zur Farbe in der Schwangerschaft

Ich trage schon immer gerne bunte Jacken und Mäntel und halte den Rest meist dezent, aber in der Schwangerschaft sind einige knallige Kleider hinzugekommen, seitdem der Bauch richtig zu sehen war. In dem Moment habe ich mir nicht so viele Gedanken darüber gemacht, aber rückblickend weiß ich: Meinen Stolz über den wachsenden Bauch, wollte ich nach außen tragen und dies mit knalligen Farben unterstützen. Ich habe mich so wohl gefühlt in meinem Körper mit dem zweiten schlagenden Herz unter meiner Brust, dass ich auch mit meiner Kleidung sagen wollte: Hier bin ich und ich bin glücklich. Denn mit Farben können wir natürlich auch Stimmungen ausdrücken. Mein Lieblingskleid war froschgrün und es ist auch nach der Geburt von Pippa in unsere Erinnerungskiste gewandert, in der wir besondere Stücke, Eintrittskarten und und und aufheben. Während ich das schreibe, bekomme ich richtig Lust, morgen meiner Garderobe einen Farbklecks zu verpassen. Vielleicht wird es das bunte Sommerkleid mit einer Strumpfhose und Strickjacke?!

Auf einmal ist es 5.26 Uhr. Ups. Zwischen Tippen, Stillen und der Dunkelheit der Nacht bin ich mit Pippa eingeschlafen. Dabei war ich doch noch nicht fertig mit meinem Gedankenkarussell und schwelgte noch in bunten Schwangerschaftserinnerungen. Und da Hannes gerade geschäftlich verreist ist, kam auch kein rechtzeitiger, liebevoller Schultertipper von links, sondern eher eine leichte Nackenstarre und in diesem Moment ein Zippeln von Pippa, die Durst hat. Sie lacht und ist hellwach, also könnte sie jetzt Bäume ausreißen und die ganze Welt unterhalten. Ihr Blick sieht so verständnisvoll für meine Müdigkeit, aber voller Energie und Wissbegierigkeit aus, die mindestens für uns beide reicht. Wie Pippi Langstrumpf, die sich ihre Welt so bunt und schön macht, wie sie es möchte. Und das gibt mir Hoffnung und auch Kraft. Eine bunte Welt, wie sie uns allen gefällt. Denn Farben sind doch für alle da.

Meine drei Tipps für mehr Umdenken im Kopf und Schlagfertigkeit als Eltern in Bezug auf geschlechtersensible Erziehung:

  1. Informieren

    Es gibt wunderbare Online-Magazine wie das Magazin Farben sind für alle da, aber auch Bücher über Geschlechtersensible Begleitung

  2. Antworten überlegen

    Überlegt euch schon Antworten auf Fragen, die euch begegnen können. Eine kleine Inspiration findet ihr zum Beispiel auf dem Instakanal von Katharina Wohlrab

  3. Gedanken teilen

    Teilt eure Gedanken, Wünsche und Gefühle schon in der Schwangerschaft mit den Personen in eurem Umkreis, so dass es später nicht zu Unmut oder Missverständnissen kommt.

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