Kleine Taten mit großer Wirkung – Mikro Aktivismus im Alltag

Zwei Kinder stehen nebeneinander mit einem Tuch um den Hals, sodass sie aussehen wie Superman.

In der Begleitung von Kindern zeigt sich, dass das aktive Vorleben von Verhalten einen großen Unterschied macht.
Dieses Wissen können wir auch einsetzen, wenn wir für mehr Freiheit für unsere Kinder plädieren.

Ich erinnere mich daran, dass ich es schon als Kind unfair fand, dass “Mädchen” etwas anderes besser können sollten als “Jungs”. Ich empfand es als genau die Einschränkung und den Affront, die es sind, nur auf Grund meines Geschlechts anders behandelt zu werden. Diese Unfreiheit und Ungerechtigkeit ärgerte mich sehr. Ich wehrte mich, angefeuert von den Spice Girls und der “GIRL POWER” Ära, dagegen, die jeweiligen Stereotypen, mit deren voller Präsenz ich in den 90ern aufgewachsen bin, anzunehmen.

Als ich mit meinem ersten Sohn schwanger war, kam das Thema der Gleichstellung im Kinderzimmer auf, als ich mich in der Schwangerschaft bei Kleidung, Spielzeug und Einrichtung häufig zu einem zarten Himmelblau hingezogen fühlte. Da war er der Gender-Stereotyp! HA! “Gefahr erkannt, Gefahr gebannt” dachte ich und guckte mich direkt nach anderen Farben um, um mein Kind möglichst NICHT in den uns bekannten Geschlechter Farben aufwachsen zu lassen. Denn: Farben sind für alle da.

Ich entschied mich, möglichst viele unterschiedliche Farben in das Leben meines Kindes zu integrieren. Einige Monate später erlebte ich tatsächlich, wie mein Sohn an dem Tag 4x als Mädchen angesprochen wurde, an dem ich ihm ein wunderschönes altrosa Woll-Set anzog.

Das ist also die Realität: Die Codes existieren und wirken noch.
Initiativen gegen Genderstereotype sagen sogar: Heute mehr, als jemals zuvor.
Spielzeuge, Kinderkleidung, Accessoires und Themen bei Einrichtung, Stoffdrucken, Auswahl an “süßen” oder “abenteuerlichen” Tiermotiven und vielem mehr: Quasi alles, was für Kinder angeboten wird, ist in der Masse nach Geschlecht sortiert, thematisch genormt und primär: Farblich eingeteilt.

Studien belegen, dass Erwachsene sich Babies gegenüber je nach Geschlecht anders verhalten, anderes Spielzeug anbieten und auch anders interagieren, mehr oder weniger berühren oder sprechen. Im späteren Kindheitsverlauf sprechen Erwachsene mit Mädchen mehr über Gefühle und ermutigen Jungs häufiger zu risikohaftem Verhalten. Andere Studien zeigen, dass Kinder sich durch (farblich) vorsortiertes Spielzeug “für Jungen” oder “für Mädchen” mehr interessieren und länger beschäftigen, als für das Spielzeug des jeweils anderen Geschlechts.
Wir treffen also unbewusst viele Vorauswahlen für unsere Kinder, die ihnen die Möglichkeit nehmen, sich frei zu entfalten und zu den Menschen zu werden, die sie sein könnten. Das empfinde ich als großen Verlust für sie persönlich und für uns als Gesellschaft. Sexismus, Gender Pay Gap, Toxic Masculinity und Benachteiligungen auf allen Ebenen sind die Folgen der Weichen, die wir in der Kindheit stellen.

Eine Freundin von mir lachte neulich überrascht auf, als ich den Trinkbecher meines Sohnes auf den Tisch stellte. “Warum hat er denn einen rosa Becher?!” Es klang, als ginge sie davon aus, ich hätte ihn versehentlich mit einem anderen Kind (Mädchen?) vertauscht oder einen absoluten Notkauf getätigt, von dem ich gleich schamhaft oder belustigt erzählen würde.
“Dieser hat ihm am Besten gefallen”, war meine schlichte Antwort. Es war die Wahrheit.
Ihre Reaktion war überrascht und mein Satz brachte sie ins Grübeln: “Ja, stimmt eigentlich.” ” Komisch, dass ich mich darüber gewundert habe.”

Dieses Erlebnis ließ mich wiederum nachdenken: Wenn der selbstverständliche Besitz eines rosa Bechers ein Umdenken bei meiner Freundin anstoßen konnte, was kann ich dann jeden Tag tun, um die vermeintlichen Zugehörigkeiten von Farben zu einem Geschlecht zu brechen, dem Patriarchat ein Schnippchen zu schlagen, die Freiheit für Kinder zu erweitern und nicht bereits die Grenzen ihres Erfahrungsspektrums bei Farben beginnen zu lassen?

Damit war mein Mikroaktivismus geboren. “If you can see it, you can be it” – dieses Zitat von Elizabeth Marvel gilt nicht nur für gesellschaftliche Repräsentation, Vorbilder bei großen Taten und Lebensentwürfen, sondern auch im Kleinen, im Alltäglichen. Und in Bezug auf Stereotype in der Gesellschaft. Je mehr wir ein “Neues Normal” für unsere Kinder ermöglichen, desto freier werden sie und können auch die Freiheit der anderen akzeptieren.

Unter dem #microfeminism teilen aktuell viele Menschen auf TikTok kleine Taten, die jeden Tag zu mehr Gleichstellung beitragen. Und das ist auch, was ich seit der Geburt meines ersten Sohnes tue: Durch viele kleine Taten eine (hoffentlich) große Wirkung zu erzielen. In meinem Radius aktiv zu werden. Mich selbst und mein Umfeld zu inspirieren, freier und weiter zu denken.

Hier sind also meine 5 Inspirationen für Euch, im Alltag mikro aktivistisch zu wirken:

  • Unsere Reflexion: Der erste Schritt ist es, die eigenen Gedanken und Handlungen zu reflektieren. Die Realisation steht an erster Stelle: Wir alle sind mit Gender-Stereotypen aufgewachsen. Wir alle wenden sie (teils unbewusst) an. Dann können wir uns fragen: Wie stehe ich zum Thema? Wähle ich bestimmtes Spielzeug aus gender-stereotypen Gründen aus? Wofür stehen welche Farben für mich? Unterstütze ich alle Kinder gleich darin, fürsorglich und/oder wagemutig zu sein? Wie wähle ich Kleidung und sogar Nahrungsmittel aus?
  • Eingefahrene Muster aufbrechen: Bei der Auswahl von Spielzeug, Kleidung, etc. bewusst außerhalb des gängigen Spektrums kaufen: Ein Teil aus der “Mädchenabteilung” für den Sohn auswählen, das Muster mit den “Jungs-Motiven” für die Tochter. Es ist spannend, wie schwer uns das fallen kann.
  • Chancen ergreifen – Optionen bieten: Kinder in die Auswahl von Farben, Mustern und Dingen möglichst mit einbeziehen, häufig möchte der Sohn auch gerne Kindernagellack tragen oder das pinke Glitzer Shirt, dann gerne unterstützen. Aber auch aktiv Optionen anbieten: Kinder sind ebenfalls Teil unserer Gesellschaft und werden früh durch bestehende Normen geprägt. Wir dürfen ihre Wünsche durchaus respektieren UND zusätzliche Optionen anbieten, wenn wir spüren, dass sie sich bestimmte Spielzeuge oder Kleidungsstücke vielleicht selbst nicht “erlauben”, da sie bereits gelernt haben, dass diese aufGrund ihres Geschlechts nicht für sie bestimmt zu sein scheinen.
  • Ins Gespräch gehen: Ob Verkaufspersonal im Einzelhandel, oder die eigene Familie: Häufig schnappt die Gender-Falle im Alltag unverhofft zu. Es ist hilfreich, sich ein paar Antworten zurechtzulegen, um Vorurteile zu entlarven oder mit Gelassenheit auf genderstereotype Aussagen zu reagieren. Nur so kann ein Umdenken stattfinden und Kinder nehmen nicht unsere “stille Zustimmung” wahr, wenn wir auf Gesagtes nicht reagieren. Der schlichte Satz “FARBEN SIND FÜR ALLE DA” wirkt schon Wunder, glaubt es mir!
  • Positive Verstärkung: Authentisches Unterstützen von Handlungen, die gender normative Attribute auflösen. Den Jungen für seinen zärtlichen Umgang mit der Babypuppe anerkennen, oder auf die eleganten Tanzschritte. Dem Mädchen auf dem Klettergerüst “DU KLETTERST SO HOCH!” zurufen oder dazu ermutigen, den Bauklotz Turm noch etwas höher zu bauen und dann stürmisch umzuwerfen. So banal es klingt, ist es immer noch eine Rarität, dass Jungs für ihre Sanftheit und ihren Bedacht gesehen werden und Mädchen für ihre Risikobereitschaft oder ihre Experimentierfreude.

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