„Leute fragen mich, was ich tierisch brauch’
Ich halt’ den Finger hoch, zeig’ da auf meinen Bauch
Vanille, Schoko, Erdbeer, Nuss und Joghurt
Machen mich crazy
Alles was ich brauch ist ein Eis, Eis, Baby…“
Genau diese Liedzeilen von Dikka könnten gerade unser Familienmotto sein. Denn eines von Pippas ersten Worten (nach „Mama“ und „Papa“) ist „Eis“.
Jedes Mal, wenn wir unterwegs sind, sagt sie sehr selbstbestimmt „Eis“, wenn sie einen Eis-Aufsteller, eine Eisdiele oder jemanden mit einer Waffel in der Hand sieht. Da bis jetzt der Sommer in Berlin an den meisten Tagen auf sich warten lässt, ist mein Hauptargument stets ‘Pippa, heute ist kein Eiswetter, dafür muss es warm sein und die Sonne scheinen.‘ Dass das nicht unbedingt der Wahrheit entspricht, weiß ich als Eis-Liebhaberin, genauer noch als Spaghettieis-Liebhaberin, wohl am besten.
So entschieden, wie Pippa nun nach anderthalb Jahren „Eis“ ausspricht, so bewusst zeigt sie auch in den letzten Tagen auf die Sachen, die sie anziehen möchte. Dabei habe ich letztens noch mit einer Freundin überlegt, wann es wohl soweit ist, dass nicht mehr wir Eltern entscheiden, was die Kinder tragen, sondern sie selbst. Ich glaube: Bald ist es soweit – sind wir schon mittendrin in dieser nächsten ‘Lebensphase‘?
Vor ein paar Tagen hat sich Pippa ihre Gummistiefel geschnappt, die ich übrigens auf einem Kindsgut Flohmarkt erstanden habe, und wollte sie für einen Ausflug anziehen. Draußen hatte es geregnet und ich war sehr beeindruckt von ihrer Wahl. Vorgestern hat Pippa am Morgen beim Anziehen auf ihren Löwinnenpullover gezeigt und mir verdeutlicht, dass sie ihn anziehen möchte. Da sie über 38 Grad Fieber und eine laufende Nase hatte, ergab auch das für mich Sinn – sie brauchte die Extraportion Löwinnenpower für den Tag, um wieder gesund zu werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich bereits kleine Kinder mit ihrer Kleiderwahl ausdrücken möchten und wohl auch Grenzen testen und aufzeigen wollen. Ja, bestimmt auch damit zeigen, dass sie eigene Entscheidungen treffen können und eine eigene Meinung und eigenen Willen haben. Ich freue mich bei Pippa schon sehr darauf, aber ich weiß auch, dass wir beide dann wohl nicht immer den gleichen Geschmack haben werden.
Blicke ich auf die letzten 18 Monate zurück, war es für meinen Mann und mich selbstverständlich, Pippa aus unserer Perspektive so genderneutral wie möglich aufwachsen zu lassen, also gewollt nicht in die Rosa-Hellblau-Falle zu tapsen. Wir haben nicht nur beim Kauf von neuen und gebrauchten Klamotten auf einen Farbmix geachtet, sondern auch zum Beispiel beim Sandspielzeug, dem Kitarucksack, den Tonie-Figuren und insbesondere auch bei Büchern, in denen diverse Körper und Lebensrealitäten dargestellt werden. Und natürlich auch im übrigen Alltag.
So war Pippa schon mit wenigen Wochen bei ihrem ersten Fußballspiel und nun langsam hat sie wohl schon mehr Sportplätze erlebt, als viele Erwachsene. Sogar auch spontan im Dänemarkurlaub letzten Sommer. Pippa besitzt übrigens seit ihrer Geburt dank ihres Opas auch eine Jogginghose vom 1. FC Nürnberg. Klar, dass sie diese bei vielen Besuchen auf den Sportplätzen an hatte. Dank des ‘Fußballtrainigs’ liebt Pippa Bälle (ich glaube, wir haben inzwischen zehn Stück) und sie reißt inzwischen bei jedem Tor die Hände nach oben und klatscht. Das ist jetzt zur Fußball-Europameisterschaft nicht nur sehr hilfreich, sondern auch sehr süß. Ein weiterer Pluspunkt: Wenn Hannes und Pippa zum Fußballschauen gehen, bleibe ich meist zu Hause und nutze die Zeit als kleine Pause für mich.
Ein anderes Erlebnis, das mir aus den letzten Monaten in Erinnerung geblieben ist: Im Frühling stand der erste Fototermin für Pippa in der Kita an. Dank meines Kinderfotoalbums kann ich mich noch sehr an meine ersten offiziellen Bilder aus dem Kindergarten erinnern. Ich glaube, ich muss etwa drei Jahre alt gewesen sein. Und so hatte ich an dem Abend vor dem Fototermin den Gedanken im Kopf, dass auch Pippa auf ihr Bild blickt, wenn sie groß ist und sich an das Outfit erinnert. Vielleicht hat sie es bis dahin sogar in ihrer Erinnerungskiste aufbewahrt. „The pressure was on“ (selbstgemacht natürlich). So habe ich meinem Mann und einer Freundin Fotos von drei Outfits zur Auswahl geschickt und wir haben gemeinsam einen Favoriten gewählt. Da die Outfits noch am Boden in ihrem Kinderzimmer lagen, ist Pippa am nächsten Morgen hereinspaziert und über genau das Outfit gelaufen. Das war für mich ein Zeichen.
Die Fragen, die ich mir seit einiger Zeit stelle, sind unter anderem: Machen wir nicht dadurch eine neue Schublade auf, indem wir bewusst Farben und auch Aktivitäten vermeiden, die laut Klischee Mädchen zugesprochen werden? Und was passiert außerhalb unserer Familienblase? Zum Beispiel in der Kita? Können wir das überhaupt kontrollieren und sollten wir es? Und muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich für Pippas Zimmer rosafarbene Vorhänge auswähle, weil ich sie so schön finde? Auf diese Fragen habe ich keine konkrete Antwort und vielleicht kommt diese auch mit der Zeit. Treiben euch manchmal ähnliche Gedanken um? Oder sollten wir es lieber laufen lassen, so wie auf dem Spielplatz, wenn sich die Kinder um das Sandspielzeug streiten und unbedingt die Schaufel vom anderen Kind haben möchten? Was ich aber definitiv weiß: Es geht so oft nicht um die richtigen oder falschen Farben, sondern um Werte, die dahinter stecken, die wir unseren Kindern mit an die Hand geben sollten. Denn Farben sind doch für alle da. Genauso wie Spaghettieis!
Fotocredits: Franziska Gärtner